J.-F. Quack: Ägyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit

Cover
Titel
Ägyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit.


Herausgeber
Quack, Joachim-Friedrich
Reihe
Orientalische Religionen in der Antike 6
Erschienen
Tübingen 2014: Mohr Siebeck
Anzahl Seiten
377 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Stefan Bojowald, Abteilung für Ägyptologie, Institut für Archäologie und Kulturanthropologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Das Thema der Rezension wird von der Aufsatzsammlung zu einer Heidelberger Tagung über Rituale im griechisch-römischen Ägypten gebildet. Der Inhalt des Bandes fächert sich in folgende Teile auf:

Der Beitrag von I. Guermeur legt mit phiéra Teb SCA 2979 Fragmente für das sog. «Tägliche Tempelritual» aus Tebtunis vor (9–23). Die erhaltenen Passagen gehen u. a. auf Reinigungen und Kleiderregeln der Priester ein (18). Die Texte werden durch Parallelen in einen breiteren Rahmen gestellt.

Der Beitrag von A. von Lieven berichtet über pVienna Aeg 8420 und pVienna Aeg 12405 aus dem 2. Jhdt. n. Chr., die Litaneien bzw. Hymnen an Sobek und andere Götter enthalten. Der Papyrus pAeg 12405 fällt durch besonders weite Zeilenabstände auf (27). Die Herkunft der Papyri aus Soknopaiu Nesos wird für möglich gehalten (27). Die lokale Theologie hat wohl keine Rolle gespielt (28).

Der Beitrag von H. Kockelmann befasst sich mit Tempelszenen, in denen das Ritual statt traditionell vom König durch bestimmte Götter vollzogen wird. Die Aufgabe üben sie allein oder in Begleitung des Königs aus (30–33). Die Reliefs stammen z. T. noch aus der Ptolemäerzeit und können so nicht für die Sinnentleerung des ägyptischen Königtums unter römischer Herrschaft beansprucht werden (37). Die Einbeziehung der Götter wird mit einer stärkeren Mythologisierung erklärt (41–42).

Der Beitrag von F. Feder setzt sich mit dem Ritual «saHa kA sHn.t» in griechisch-römischen Tempeln auseinander. Die Erörterungen leitet ein Überblick über das ältere Material ein (48–50). Der Hauptschwerpunkt liegt auf den Szenen in Edfu (51–58) und Dendera (58–63), wo der mythologische Hintergrund erstmals konkreter wird. Der König ahmt dort wohl den Gott Min als Bezwinger der Fremd-länder nach (63–64).

Der Beitrag von L. Martzolff konzentriert sich auf Darstellungen des Rituals zur Sicherung des Königserbes in griechisch-römischen Tempeln, für das auf pBrooklyn 47.218.50 ein saitenzeitlicher Vorläufer existiert. Die Hauptaufmerk-samkeit richtet sich auf Szenen mit der Aussendung von Vögeln in Philae/Edfu/ Karnak, wobei der Akzent auf Abweichungen sowohl untereinander als auch vom Brooklyner Papyrus gesetzt wird. Die Nähe zum Dekret des Re aus Edfu/Philae wird speziell herausgestrichen (75).

Im Beitrag von J. Fr. Quack wird oHor 18 neu ediert, das wohl ins 2. Jhdt. v. Chr. gehört. Das recto nehmen v. a. Litaneien für solare und osirianische Götter ein, die Parallelen im Grab des Ramose, pGreenfield, «Amenophisritual» und Mundöffnungsritual haben (99f). Das Ritual ist durch Reinigungen, Räucherungen und Speiseopfer gekennzeichnet (108). Das verso wird durch Götteranrufungen sowie Fürbitten für König und Apisstier besetzt. In oHor 18 manifestiert sich der früheste Vertreter für die Kombination aus klassischer Sprache und demotischer Schrift, dessen Provenienz zudem nach Memphis weist (110).

97: Die Schreibung «qH» für «qbH» beruht wohl auf der Schwäche des «b», vgl. dazu G. Fecht, Wortakzent und Si-benstruktur, Untersuchungen zur Geschichte der ägyptischen Sprache (= ÄgFo 21), Glückstadt/Hamburg/New York 1960, 80.
98: zum Tierdeterminativ nach Vogelnamen vgl. St. Bojowald, in: AcOr, 72 (2011), 41–45.

Der Beitrag von Fr. Hoffmann informiert über pWien D 6951 aus der frühen Römerzeit, der in demotischer Schrift, aber mittelägyptischer Sprache verfasst ist. Der Text greift auf unetymologische Schreibungen zurück, die als lautliche Notation interpretiert werden (124). Der Kerntext besteht aus Götterhymnen, deren 12 Sprüche Verf. mit den 12 Tagstunden in Verbindung bringt (127–129). Die Reinigungsformeln könnten sich auf die Nachtfahrt der Sonne beziehen.

Der Beitrag von G. Widmer äußert sich zu pBerlin P 6750/pBerlin P 8765/pBM EA 76638, die wohl aus dem Soknopaiu Nesos der frühen Römerzeit stammen. Das demotische Schriftbild ist mit hieroglyphischen/hieratischen Zeichen durchmischt, die als organisch gewachsene Varianten verstanden werden. Die unetymologischen Schreibungen werden auf planvolle Auslese zurückgeführt (142).

Der Beitrag von M. Smith klärt über Bodl. Ms. Egypt. a 3 (P) aus dem 1. Jhdt. v. Chr auf, dessen Herkunft aus Achmim als wahrscheinlich gilt. Das recto tradiert sechs z. T. demotisch, z. T. hieratisch abgefasste Rituale (TB 171, «Ritual, um Sokar aus seinem Schrein zu holen», Opferliturgien), die als zusammengehörige Einheit für die Rezitation im Toten- oder Tempelkult betrachtet werden (147–150). Der demotische Teil bedient sich des Mit-telägyptischen, während für die Pyrami-dentextexzerpte – bisher singulär – Alt-ägyptisch benutzt wird (152). Die unetymologischen Schreibungen werden als Hilfe bei der Wiedergabe alter Formen und Wörter oder zwecks Bedeutungserweiterungen interpretiert (152).

Der Beitrag von S. Vuilleumeur dreht sich um P. Princeton Pharaonic Roll 10, auf der sich mehrere Rituale abzeichnen. Die Barkenliturgie mit Parallelen u. a. in Dendera wird darunter besonders hervorge-hoben. Der Litaneityp «Ts tw» lässt sich Parallelen im Grab der Mutirdis (TT 410) und auf P. Vienna KM ÄS 3871 zuordnen (166).

Der Beitrag von J. Dieleman handelt P. Louvre N 3135 + P. Vienna ÄS 3871 ab, die anhand der Namensform der Besitzerin in die Ptolemäerzeit datiert werden. Das Manuskript bietet Liturgien aus dem O-siriskult (u. a. «Ritual, um Sokar aus seinem Schrein zu holen», Barkenliturgie, Opferformeln), die später für den privaten Gebrauch adaptiert worden sind.

Der Beitrag von A. Kucharek untersucht die Rolle von Frauen bei der Osirisklage, wo sie meist als Verkörperungen von Isis und Nephthys begegnen. Das weibliche Personal konnte bereits früh durch Stellvertreter (Priester, König) ersetzt werden. (191ff). Das Geschehen hat sich in einer Vorkapelle oder am Eingang der Balsamierungshalle zugetragen (195).

Der Beitrag von S. Töpfer gibt Auskunft über das Balsamierungsritual auf pBoulaq III und pLouvre E 5158, die in die Spanne vom 1. Jhdt. v.–2. Jhdt. n. Chr. datiert werden. Der Text wird in «Manual» (Instruktionen) und «Rezital» (Verklärungen) gegliedert (203). Das Ritual in klassischem Mittelägyptisch nebst neu-ägyptischen/demotischen Einschlägen ist mit Osiris- und thebanischem Totenkult verwandt (203). Die Struktur wird an pBoulaq III verdeutlicht, der in 12 Kapiteln die Bandagierung und Salbung des Toten nachvollzieht (204).

Der Beitrag von A. H. Pries spricht Verklärungssprüche in römerzeitlichen Totentexten an, die u. a. die Bekleidung mit Stoffen zur körperlichen Restitution im Jenseits ausmalen. Die Texte waren ursprünglich im Tempelkult situiert und später auf den Privatbereich übertragen worden.

Im Beitrag von P. Meyrat werden Örtlichkeiten im Apisritual analysiert. Das Quartier des Stieres wird am Eingang der Balsamierungsstätte lokalisiert (247–249). Die Diskussion des Wortes «cAr.t» läuft auf eine Bezeichnung für den achträdrigen Stierwagen hinaus (256ff).

In Beitrag No. 2 von P. Meyrat wird pZagreb 597 – 2 mit dem Anfang des Apisrituals veröffentlicht. Der Tod des Stieres ist wohl unter Nectanebos II. im Windschatten von Kämpfen mit Persern eingetreten (300).

295: zur Schreibung «qmA» für «gmi» «finden» vgl. G. Burkard, Spätzeitliche Osiris – Liturgien im Corpus der Asasif – Papyri, Übersetzung, Kommentar, Formale und inhaltliche Analyse (= ÄAT 31), Wiesbaden 1995, 186

297: zum «rkc» – Gefäß vgl. Th. Dousa/Fr. Gaudard/J. H. Johnson, P. Ber-lin 6848, a Roman Period Temple Inventory, in: Fr. Hoffmann/H. J. Thissen (Hg.), Res severa verum gaudium, Festschrift für Karl-Theodor Zauzich zum 65. Geburtstag am 8. Juni 2004 (= StudDem VI), Leuven 2004, 167–168.

305: zum Namen «MiitrxA» vgl. auch P. Huyse, in: JEA, 78 (1992), 289ff.

Der Beitrag von C. Ambos ist Kult und Ritual im hellenistischen Mesopotamien gewidmet, die bis ins 3. Jhdt. n. Chr. Bestand hatten. Die Seleukiden haben die Feiern z. T. aktiv besucht. Die «Graeco-Babylonica» aus dem 2. Jhdt. v.– 2. Jhdt. n. Chr. werden als Zeugnis für griechisch geschriebene Texte in sumerischer/akkadischer Sprache genannt (352).

Zitierweise:
Stefan Bojowald: Rezension zu: Joachim-Friedrich Quack (Hg.), Ägyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit (= Orientalische Religionen in der Antike 6), Tübingen, Mohr Siebeck, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 109, 2015, S. 383-385.

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